Willkommen im Glashaus!

Willkommen im Glashaus!

Da du diesen Blog gefunden hast, musst du entweder:

1. tierisch gelangweilt sein, einfach so auf irgendwelche Blogs zu klicken. Doch es sei dir freigestellt zu bleiben, wenn du magst! Lies, schreib Kommentare, mach was dir beliebt! Alles was es dazu braucht, ist ein wenig Interesse und Offenheit für die kleinen Außergewöhnlichkeiten des gewöhnlichen Lebens :)

2. mich persönlich kennen. In diesem Fall bitte ich dich, vielleicht nicht groß herumzuposaunen, dass es diesen Blog gibt. Oftmals schreibe ich hier genau über Personen aus meinem Umfeld, die, wenn es nach mir ginge, nicht unbedingt erfahren sollten, dass ich das tue. Aber ansonsten gilt für dich das gleiche wie bei 1. :)

Freitag, 24. Juni 2011

Vom Glück, Hobbys und Hamster-Käfigen

Laut vieler Glückstheorien ist es ein zentraler Aspekt eines gelungenen Lebens, seine Talente zu entwickeln, das zu tun, worin man gut ist, am besten noch im Job integriert. "Signaturstärken" nennt man das in der Wissenschaft. Auf diese soll man sich konzentrieren und sie ausbauen.

Es ist natürlich naiv zu glauben, jeder Mensch könnte, wenn er sich auf diesen Grundsatz besinnt, einen erfüllten und spaßigen Arbeitsalltag erleben. Meiner Erfahrung nach stellen solche Leute immer noch eine Minderheit da - die verbreitetste Methode scheint immer noch, die Arbeit einfach nur als notwendiges Übel zu akzeptieren und in seiner Freizeit Erfüllung zu finden. Denn letztendlich ist jeder Mensch in irgendetwas "gut", und wenn man daraus, sei es durch verpasste Chancen oder durch die schlichte Unmöglichkeit der Sache, keinen Lebensunterhalt verdienen kann, verwirklicht man diese Fähigkeiten eben in der Freizeit. Ein guter Freund z.B. macht eher nebenbei eine Lehre zum Elektrotechniker. Ob er da sein wahres Lebensglück finden wird, wage ich stark zu bezweifeln. Nichtsdestotrotz bin ich sicher, das er mit seinem Leben keine großen Probleme haben wird - denn er hat ein unglaubliches Talent dafür, Leute um sich zu scharen und sie für sich zu gewinnen. Verdammt gutaussehend, allseits beliebt, vorlaut und was im Köpfchen - so, dachte ich, hat eben jeder seins.
Denkste

In der letzten Zeit sind mir vereinzelt Leute untergekommen, die einfach "gar nichts" zu können scheinen. Zumindest nach ihren eigenen Aussagen. Und wenn ich mir einen solchen Fall (beim konkreten Beispiel) mal genauer angucken, dann kann ich beim besten Willen auch nichts dagegen erwidern. Sie (in diesem Fall) ist ganz nett, ganz intelligent, aber das war's auch schon. So sehr ich es auch versuchte, es ließ sich weder analytisch-logisches, noch denkerisches, noch kreatives, noch soziales Talent in irgendeiner Weise zutage bringen. Jedenfalls auf keinem Level, das sie zu irgendetwas Höherem befähigt hätte. Und von motorischen Fähigkeiten oder gar Sport brauche ich gar nicht erst anfangen.
Sie ist sich dieser Tatsache auch vollends bewusst. Sie wird einen Job annehmen, vor dem es ihr jetzt schon graust, sie hat ein paar Freunde, mit denen sie sich aber auch nur selten trifft, und am liebsten ist sie zuhause in ihrem Zimmer und macht - gar nichts. Schlafen, beispielsweise. Oder ein bisschen dem Online-Rollenspiel fröhnen (und diese Spiele haben nichts mit Fähigkeiten zu tun, es sind virtuelle Skinner-Boxen, die nichts anderes tun, als das Belohnungszentrum unseres Hirns zu stimulieren... wer sich damit mal genauer befassen will, hier ein ziemlich guter Artikel dazu, allerdings auf Englisch.) Diese Spiele sind übrigens auch ein neuzeitliches Phänomen, das, so glaube ich, in genau diesem Problem des "Nichts-Könnens" seinen Ursprung findet.

Meine Frage ist nun - woran liegt das? Ist das Ganze nur eine Frage der Sichtweise? Unsere moderne Leistungsgesellschaft versucht uns ja von klein auf zu vermitteln: "Du musst in irgendetwas gut sein." Muss man das denn überhaupt? Taugenichtse gab es schließlich zu allen Zeiten... wobei: Ob die wirklich glücklich waren?
Oder ist es unser (über)frühförderndes, auf schnelles Lernen und Anpassung in Lichtgeschwindigkeit ausgelegtes Bildungssystem, in dem individuelle Förderung und Talententdeckung auf der Strecke bleiben? Ich bin mir ziemlich sicher, dass solche Leute in irgendetwas richtig gut sein können... nur wurde dieses Talent wahrscheinlich nie freigelegt und ist mittlerweile verkümmert.
Oder ist es (mit 20 Jahren) einfach noch zu früh, zu sagen, dass man "gar nichts" kann? Ergeben sich Talente mit dem Älterwerden vielleicht auch von selbst?

Daraus ergibt sich auch die wichtigste Frage für mich: Wie soll man mit solchen Menschen umgehen? Denn es erscheint ziemlich wahrscheinlich, dass so jemand wie die Freundin in diesem Beispiel irgendwann sehr unglücklich werden wird, wenn es so weitergeht.
Und mehr als einmal zu sagen "Mensch, du musst doch mal irgendwas machen, irgendwas verändern in deinem Leben!" kann ich mir auch nicht leisten. Im Film "Die fabelhafte Welt der Amelie" sagt der alte Mann mit den Glasknochen (sinngemäß) zur Hauptprotagonistin:

"Sie haben Recht. Es kann Ihnen niemand das Recht auf ein gescheitertes Leben nehmen."

Dienstag, 24. Mai 2011

Menschen und der Glaube

Ich muss zugeben, dass ich selber nicht wirklich an Gott glaube. Zumindest nicht so, wie ihn die Kirche darstellt. Ich würde mich aber deshalb nicht als Atheisten bezeichnen - ich verneine die Existenz Gottes nicht, und ich habe auch kein Problem mit Menschen, die fähig sind, inbrünstig zu glauben. In letzter Zeit kam ich aber nicht umhin, mich zu wundern, was dieser Glaube mit Menschen anstellen kann...

Der Grund, warum ich diesen Blog erstellt habe, ist folgender: Vor geraumer Zeit habe ich ein Mädchen kennengelernt, das mich von Anfang an fasziniert hat. Ihre Art zu reden, ihre Art zu leben, einfach alles. Sie kann lustig sein, Quatsch machen und herumblödeln bis zum Gehtnichtmehr, auf der anderen Seite aber auch ernst, nachdenklich und besonnen sein. Ein Mensch für alle Lebenslagen also, mit dem man am liebsten ständig Zeit verbringen würde, egal in welcher Stimmung man sich befindet.
Auch ist dieses Mädchen aufgeschlossen und tolerant gegenüber jeglichen Macken und alternativen Lebensstilen - als hätte man es nicht gedacht, sie ist selber bisexuell und Mitglied in gewissen Szenen, die man wohl als seeeehr weit weg vom durchschnittlichen "Mainstream" einordnen würde (wem das was sagt: Cosplayer und J-Rock)
Trotzdem ist es nicht so, dass sie in ihrer Welt eingeigelt wäre, sie ist wahnsinnig intelligent, kann sich für absolut alles begeistern, wenn es ihr gefällt - das geht von Kunst, Kultur und Musik bis hin zu Hardcore-Gaming.

Dann, vor ein paar Monaten jedoch, ist im Gespräch mit ihr etwas ans Licht gekommen, das mich erstmal vor den Kopf gestoßen hat - wie benommen war ich noch stundenlang nach dieser Unterhaltung...
Sie ist eine Zeugin Jehovas - keine ganze, sie ist noch nicht getauft, aber hat definitiv vor, das zu tun. Ihre Eltern gehören schon lange diesem Glauben an. Nette Leute, dagegen ist nichts zu sagen, ich hänge ja öfters bei ihnen zuhause herum. Generell sind die Zeugen ziemlich nette Menschen, wenn sie nicht gerade versuchen, einem ihren Glauben aufzuschwatzen. Was mich aber schockiert hat (wir haben uns lange im Zwiegespräch über diesen Glauben unterhalten), sind die Bedingungen, die die Zeugen an die Mitglieder ihrer Gemeinschaft stellen.
Sie müsste ihr komplettes Leben umstrukturieren, wenn sie sich letztendlich taufen lässt, das hat sie mir auch so bestätigt. Sie müsste ihre Bisexualität aufgeben (und glaubt mir, ich kann ganz genau spüren, dass sie viel eher von Frauen fasziniert ist, als von Männern), sie dürfte ihre geliebten Fantasy-Romane nicht mehr lesen (die Zeugen glauben, dass in jeglicher Darstellung von Menschen, die zu Übernatürlichem fähig sind, ergo sich über Gottes Schöpfung erheben, schon die leise unterschwellige Botschaft mitschwingt, dies auch im echten Leben anzustreben. Und darin würde die Saat des Teufels liegen...) und sie dürfte den Großteil ihrer Musik nicht mehr hören, da es in den Texten oft um... sagen wir mal, unchristliche Themen geht (J-Rock ist größtenteils der Schwarzen Szene zuzuordnen).
Ihr ist klar, dass das schwer wird. Aber sie will es auf jeden Fall, für Jehova, ihren Gott, an den sie mit ganzer Macht glaubt.

Ich bin ja durchaus ein toleranter Mensch. Ich finde alternative Lebensstile extrem spannend - solange sie sich noch in Maßstäben menschlicher Vernunft bewegen. Ein Punk wird für mich ab dem Zeitpunkt lächerlich, an dem er sich entscheidet, weil er ja so "rebellisch" ist, unter der Brücke zu schlafen und Autos zu demolieren. Nur zur Veranschaulichung.

Und das ist es, was mir hier einfach nicht in den Kopf geht. Wie kann ein Mensch, der so unglaublich intelligent, tolerant und aufgeschlossen ist, sich wünschen, diesem Glauben anzugehören, einem Glauben, der sich selbst als einzig wahren darstellt und betont, dass ausschließlich nur seine Gläubigen am Ende erlöst werden?
Diese Glaubensrichtung ist das komplette Gegenteil von dem, was man als tolerant ansehen würde - es wird den Mitgliedern sogar empfohlen, sich nur noch mit Glaubensbrüdern abzugeben.
Dass man an Gott und Jesus Christus glaubt, verstehe ich ja noch - die christlichen Ideale wie Nächstenliebe usw. sind absolut genial und unbedingt anzustreben.
Aber dass man als intelligenter Mensch, der fähig ist, Dinge objektiv und von verschiedenen Standpunkten aus zu betrachten, sich wünschen kann, einer Glaubensgemeinschaft auf Basis einer reinen Interpretation der Bibel, die erst seit ~1875 existiert, anzugehören und diesen Glauben dann als den einzig wahren und richtigen anzusehen, dafür sogar sein ganzes Leben um 180° zu drehen, verstehe ich einfach bei bestem Willen nicht, egal wie sehr ich versuche, mich in sie hineinzuversetzen...

Die einzige Erklärung, die ich vielleicht dafür habe, ist die Erziehung. Von Geburt an wurde sie in dem Glauben an Jehova erzogen, hat nette Leute kennengelernt, die dem Glauben ebenfalls angehören, und verbindet ihn damit automatisch mit positiven Gefühlen. Sie denkt gar nicht objektiv darüber nach und will es auch gar nicht - wer will schon, dass das Weltbild, auf das man sich sein Leben lang gestützt hat, auf einmal zusammenbricht?

Jedenfalls - akzeptieren wir die Position des jeweils anderen und sprechen nicht mehr über das Thema. Ansonsten sind wir total dicke Freunde geworden. Die einzige Sorge, die noch in meinem Hinterkopf verbleibt, ist Angst. Die Angst, dass ich sie irgendwann verlieren könnte. Und die Frustration angesichts meiner eigenen Machtlosigkeit. Ich habe mit ihr diskutiert, ihr mein nihilistisches Weltbild präsentiert - doch letztendlich führt jeder Argumentationsstrang zum Kernproblem: "Ja, ich glaube eben." "Und ich nicht."
Ich kann nicht mehr versuchen, als sie durch Worte zu überzeugen. Ich will nicht, dass unsere Freundschaft an diesem Konflikt zerbricht. Und doch tut es mir im Herzen weh, dass ich sie irgendwann vollständig an diesen Glauben verlieren werde...

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Ein Leben in der Flasche - der Blog des durchschnittlichen Pseudo-Intellektuellen von nebenan. Wer sich selbst ernst nimmt, hat schon verloren, denn es gibt immer einen, der ernster ist.

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